Netzpolitik titelt heute irreführend mit EU: Vorratsdatenspeicherung inkompatibel mit Grundrechten. Warum irreführend? Weil der EU-Generalanwalt in seiner Stellungnahme {englisch) die Richtlinie für unvereinbar mit der EU-Grundrechtecharta hält, nicht aber die Generalüberwachung der Bevölkerung an sich.
In der Regel hält sich der Gerichtshof in seinem Urteil an die Gutachten des Generalanwalts. Wir können also davon ausgehen, daß die endgültige Entscheidung ähnlich ausfallen wird. Sehen wir uns die Stellungnahme mal genauer an.
Der Generalanwalt sieht auf der einen Seite schon eine schwerwiegende Einschränkung des Grundrechts auf Privatsphäre (“a serious interference with the fundamental right of citizens to privacy”). Auf der anderen Seite ist seiner Meinung nach die Vorratsdatenspeicherung aber eine angemessene, ja sogar notwendige Hilfe zur Verhinderung schwerer Straftaten (“may be regarded as appropriate and even […] as necessary for achieving that objective”).
Konkret bemängelt er an der Richtlinie folgende Dinge:
Bevor wir jetzt also in Jubel ausbrechen und das Ende der Vorratsdatenspeicherung feiern, sollten wir mal kurz einen Abgleich dieser Mängelliste mit den Plänen unserer geliebten großen Koalition machen.
Wenn das Gericht sich der Stellungnahme anschließt, dann können wir also leider nicht davon ausgehen, daß die deutsche Vorratsdatenspeicherung über Europa wieder gekippt werden kann. Bleibt noch die Überarbeitung der EU-Richtlinie, die wir wohl in ein paar Jahren erwarten können, und die Straftaten, in denen die Vorratsdaten zur Anwendung kommen dürfen, näher regeln werden muss. Dann können wir immerhin versuchen, die Verwendung für „mittels Telekommunikation begangenen Straftaten“ wieder aus dem Anwendungsbereich rauszuklagen. Wie das mit Prozessen so ist, wird das dann aber wohl auch nochmal einige Jahre brauchen.
Persönlich ruht meine letzte Hoffnung ja darauf, daß das Gericht sich an die eigenen Fragen in der Anhörung zur Sache erinnern wird. Denn auch auf explizite Nachfrage konnte nicht belegt werden, daß Vorratsdatenspeicherung wirklich notwendig zur Aufklärung schwerer Straftaten ist. Oder auch nur, daß sie die Aufklärungsquoten in den Ländern und den Zeiträumen, in denen es sie bereits gegeben hat, signifikant beeinflußt hat. Ich hoffe, daß das Gericht in dem Punkt eine andere Meinung vertritt als der Generalanwalt und auf dieser Grundlage einer Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich die Verhältnismäßigkeit absprechen wird.
Man wird ja wohl noch träumen dürfen.
]]>In der Diskussion um die gute alte Vorratsdatenspeicherung verlangt IM Friedrich mal wieder, daß unsere Justizministerin doch ein entsprechendes Gesetz vorlegen müsse. Dieses mal ist der Anlass die Strafzahlung von 3 Millionen €, die Schweden wegen der Nichtumsetzung der EU-Richtline zu blechen hat.
Aber ist es überhaupt des Justizministers Job, Gesetze zu entwickeln?
Gesetzesvorlagen werden beim Bundestage durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht.
– Art. 76 (1) Grundgesetz
Ja, ein Minister kann als Mitglied der Bundesregierung eine Gesetzesvorlage auf den Weg bringen. Muss er aber nicht.
Auf der anderen Seite können aber auch „einfache“ Mitglieder des Bundestages einen Gesetzesvorschlag einbringen. Mitglieder des Bundestages wie Hans-Peter Friedrich. Huch. Zumal er als zuständiger Hampelmann für Inneres eigentlich auch aus seinem Ministerium heraus eine Regelung vorschlagen könnte. Vom Verfassungsgericht gekippt wird das Ganze ja hoffentlich unabhängig davon, wer das Gesetz mal geschrieben hat.
Das Gepolter Richtung seiner Kollegin muss also andere Gründe haben, als daß er um seine Vorratsdatenspeicherung fürchtet. Denken wir doch mal scharf nach.
Ach ja. In 4 Monaten ist ja Bundestagswahl. Na so ein Zufall! Da muss IM Friedrich als Innenminister natürlich den Hardlinern in der Union(swählerschaft) zeigen, daß er weiterhin auf die Einführung einer verdachtsunabhöngigen Vorratsdatenspeicherung pocht. Klare Kante für den Wahlkampf.
Bonuspunkte gibt es in dieser Diskussion dafür, daß er in einem Aufwasch auch noch der FDP eins auswischen, und wer weiß, sie ja vielleicht auch auf Linie bringen kann. Die ist sich bekanntermaßen uneins, was das Thema angeht. Zeit also, die sture Frau Leutheusser-Schnarrenberger daran zu erinnern, wem sie ihren Ministerposten verdankt.
Eins hab’ ich noch. Was passiert, wenn „die FPD“ ein Gesetz vorschlägt, das beschlossen und nacher vom Verfassungsgericht wieder kassiert wird? Dann ist eben „die FDP“ schuld, daß aus der Vorratsdatenspeicherung nichts geworden ist. „Die FDP“ hat dann die Sicherheit der Bevölkerung untergraben. Terroristen und Kinderpornographen können nur wegen „der FDP“ offen über die Straße laufen, ohne sich fürchten zu müssen.
Hätte die C[DS]U das Gesetz geschrieben, wäre das bestimmt alles nicht passiert! Und wer weiß, vielleicht muss sich bis dahin dann ja eine rot-grüne Regierung darum kümmern, alles wieder zu reparieren.
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