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der (Un-)Sinn von Fernsehduellen

CC-BY peapodsquadmom

In den USA haben Debatten zwischen den (historisch bedingt) beiden Kandidaten für das Präsidentenamt eine lange Tradition. Laut Wikipedia finden sie dort seit 1858 statt, seit 1956 im Fernsehen. Wie so viele US-amerikanische Erfindungen wurde auch diese 2002 nach Deutschland geholt; seitdem gibt es hierzulande ein „Kanzlerduell“.

Nun fand gestern mal wieder eins statt, schließlich ist ja bald Bundestagswahl. Merkel und Steinbrück warfen sich also gegenseitig ihre Positionen an den Kopf. Mir geht es hier nicht um eine inhaltliche Bewertung und auch nicht um die bekloppte Tatsache, daß das Ganze dann direkt auf mindestens 4 Kanälen lief, insbesondere auf ARD und ZDF. Das wäre jetzt zwar alleine schon einen Artikel wert, ich frage mich aber viel eher, warum wir so ein Format in Deutschland überhaupt haben. Brauchen wir das?

Das Wahlrecht in den USA unterscheidet sich in zwei Punkten fundamental von unserem. Zum einen gibt es dort ein reines Mehrheitswahlrecht und zum anderen, das ist für unser Thema der wichtige Teil, wird der Regierungschef dort nicht vom Parlament, sondern (indirekt) vom Volk gewählt. Dementsprechend ergibt es erstmal Sinn, wenn man die Möglichkeit hat, sich die Kandidaten für das Präsidentenamt vorher mal zur Brust zu nehmen und sie auszufragen. Schließlich muss man dann am Wahltag einen davon wählen.

In Deutschland wird der Bundeskanzler vom Bundestag gewählt. Den Bundestag wählen wir am 22. September. Den Bundestag, nicht den Bundeskanzler. Warum also gibt es eine 90-minütige Sendung, in der die Kanzlerkandidaten sich vorstellen? Wäre es nicht irgendwie sinnvoller, sich mit den Dingen zu beschäftigen, die man auch wählen darf? Also quasi mit den zur Wahl stehenden Parteien und ihrem Programm?

SPD und CDU als die leider einzigen beiden Parteien in Deutschland, die die Chance haben, einen Bundeskanzler zu stellen1, reduzieren ihren Wahlkampf wie immer auf die Kanzlerfrage. Auf den Plakaten gibt es wieder inhaltsleere Phrasen à la „gemeinsam erfolgreich“ oder „das wir entscheidet“. Bloß kein Inhalt, man könnte ja Menschen mit anderer Meinung verschrecken. Gewählt werden soll nach Wohlfühlfaktor.

In diese Logik passt natürlich auch ein Fernsehduell der Kanzlerkandidaten. Damit entfernt man sich noch weiter von der inhaltlichen Ebene, diesmal hin zu einer Sympathieentscheidung nach Kandidatennase. Kommt dann doch mal Butter bei die Fische und man redet über Inhalte, sind die Aussagen ungefähr genauso zutreffend und glaubhaft wie die Wahlplakate der FDP. Letztendlich ist so eine Sendung nur eine vom Steuerzahler finanzierte Werbesendung für zwei der Parteien, die auf dem Wahlzettel stehen werden. Und die anderen 28 bleiben außen vor.

Statt Wahlkampfgetöse im Fernsehduell zu verbreiten, würde ich mir zumindest von den öffentlich-rechtlichen Sendern wünschen, die Menschen darüber aufzuklären, welche Wahl sie wirklich haben. Daß sie eben nicht für die Wahl des nächsten Bundeskanzlers an die Urnen gehen. Was die Parteien, die zur Wahl stehen, an Programm zu bieten haben. Was sie vor 4 Jahren an der gleichen Stelle erzählt haben. Was sie in den letzten 4 Jahren davon wie umgesetzt haben. Oder auch nicht. Und wie das alles zusammenhängt.

Aufmacher bei uns in der Rheinischen Pest heute: Merkel hatte zum Fernsehduell eine schwarz-rot-goldene Kette an. Und die hatte sie schon 2005 zum Amtseid dabei! Herzlichen Glückwunsch, das Niveau ist gerade süd-östlich von Neuseeland angekommen.

  1. Obwohl, seien wir mal ehrlich. Wir wissen doch alle, daß wir Frau Merkel noch 4 Jahre länger ertragen müssen. Im Grunde gibt es doch nur noch drei Fragen, die die Wahl klären wird: Schwarz-Geld oder große Koalition, kommt die FDP rein und kommen die Piraten rein oder nicht.

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